Objekt-orientierte Modellierung von Rädern und Reifen in Dymola/Modelica

Beschreibung

Insbesondere in den 80er und 90er Jahren wurde eine Vielzahl von Reifenmodellen mit unterschiedlichen Komplexitätsgraden und Anwendungshintergründen entwickelt. Eine wichtige Klasse von Reifenmodellen sind hierbei die semi-empirischen Reifenmodelle. Diese bauen auf dem physikalischen Gerüst der Mehrkörpermechanik auf und erweitern dieses mit empirischen Formeln für Reibungs- und Schlupfverhalten.

Semi-empirische Reifenmodelle bieten einen guten Trade-off zwischen Modellgenauigkeit und Komplexität. Sie eignen sich daher insbesondere für die Simulation ganzer Fahrzeugsysteme und deren Analyse zur Fahrdynamik. Zwei besonders prominente Vertreter sind TMeasy von G. Rill [3,7] und das Magic-Formula Modell von H.B. Pacejka [6].

Diese und andere Modelle sind jedoch sehr flach und unstrukturiert. So finden sich durchaus mehrere hundert Gleichungen auf einer einzelnen Hierarchiestufe. Daher sind diese Modelle oft schwer nachvollziehbar. Wartungsarbeiten oder Spezialisierungen gestalten sich mühsam und mangeln an Transparenz. Angaben zur Geometrie und Kontaktpunktermittlung sind oft ungenau.

Die Arbeit von Zimmer und Otter [10] baut auf den oben genannten Beispielen auf und bettet Rad- und Reifenmodelle unterschiedlicher Komplexitätsstufen in das objekt-orientierte Framework von Modelica [4] und dessen Mehrkörperbibliothek [5] ein. Diese Einbettung beschränkt sich jedoch grösstenteils auf die Verwendungsform der Modelle. Die Modelle selbst sind weiterhin recht flach und enthalten viele Gleichungen in einer einzelnen Modelldatei.

Aufgabenstellung

Ziel dieser Masterarbeit ist die Erstellung von Reifenmodellen in Modelica mit einem wirklichen objekt-orientierten, hierarchischen Aufbau. Hierzu müssen die bestehenden Modelle in geeignete Unterkomponenten zerlegt werden (Körper, Geometrie, Kontaktpunkt, Kontaktphysik, etc.). Die einzelnen Komponenten werden dabei von unterschiedlichem Charakter sein: geometrisch, empirisch und physikalisch. Das Design der Schnittstellen wird folglich einen zentralen Punkt der Arbeit darstellen. Zur Beschreibung der physikalischen Aspekte soll die Methodik der Bondgraphenmodellierung verwendet werden [1,2]. Die erstellten Rad- und Reifenmodelle sollen in die Multibondgraphenbibliothek integriert werden [8,9].

Der Fokus dieser Arbeit liegt damit weniger in der Modellierung neuer Reifeneigenschaften als in der besseren Organisation bestehenden Wissens. Dieses hat besonderen Wert für die Zukunft, da es eine deutlich verbesserte Handhabung der Modelle ermöglichen wird. Dennoch dürfen neue Erkenntnisse zum Thema der Reifendynamik (insbesondere in Bezug auf Motorräder) den Modellen natürlich gerne hinzugefügt werden.


Referenzen

  1. Cellier, F.E. (1991), Continuous System Modeling, Springer-Verlag, New York.

  2. Cellier, F.E. and A. Nebot (2005), The Modelica Bond Graph Library, Proc. 4th International Modelica Conference, Hamburg, Deutschland, Vol.1, pp. 57-65.

  3. Hirschberg, W., G. Rill, and H. Weinfurter (2007), Tire Model TMeasy, Vehicle System Dynamics, 45(S1), pp. 101-119.

  4. Modelica Association (2005), Modelica 3.0 Language Specification.

  5. Otter, M., H. Elmqvist, and S.E. Mattsson (2003), The New Modelica MultiBody Library, Proc. 3rd International Modelica Conference, Linköping, Sweden, pp. 311-330.

  6. Pacejka, H.B. (2005), Tire and Vehicle Dynamics, 2nd Edition, SAE International, Warrendale, PA.

  7. Rill, G. (2007), Simulation von Kraftfahrzeugen, Nachdruck, Vieweg-Verlag, Regensburg, Germany.

  8. Zimmer, D. (2006), A Modelica Library for MultiBond Graphs and its Application in 3D-Mechanics, Dept. für Computational Science, ETH Zürich, Zürich, Schweiz.

  9. Zimmer, D. and F.E. Cellier (2006), The Modelica Multi-bond Graph Library, Proc. 5th International Modelica Conference, Vienna, Austria, Vol.2, pp.559-568.

  10. Zimmer, D. and M. Otter (2008), Real-Time Models for Wheels and Tires in an Object-Oriented Modelling Framework, Vehicle System Dynamics, to appear.

English Version
Homepage


Modifiziert: 7. September 2008 -- © François Cellier