RA: MATLAB Toolbox zur qualitativen Modellierung
und Simulation schlecht definierter Systeme unter Verwendung der Methodik der
Rekonstruktionsanalyse
Kurzbeschreibung
Bei der Rekonstruktionsanalyse (RA) handelt es sich um eine komplementäre
Methodik zum
Fuzzy Inductive Reasoning (FIR). Während FIR das
Zeitverhalten eines schlecht definierten Systems identifiziert, bemüht sich
RA darum, geeignete Hypothesen für dessen interne Struktur zu ermitteln.
Gegeben sei ein Satz von n Variablen, die einen n-dimensionalen
Suchraum aufspannen. Die Elimination einer dieser Variablen entspricht der
Projektion des n-dimensionalen Suchraums auf einen (n-1)-dimensionalen
Suchraum. RA untersucht, in wie weit der ursprüngliche n-dimensionale
Suchraum aus den möglichen (n-1)-dimensionalen Suchräumen wieder
rekonstruiert werden kann. Wenn dies erfolgreich ist, können die zur Rekonstruktion
benötigten Unterräume als äquivalenten Ersatz zum ursprünglichen Raum betrachtet
und verwendet werden.
Auf diese Weise kann rekursiv eine interne Struktur ermittelt werden, die aussagt,
welche Variablen für die Identifikation von Modellen des Zeitverhaltens der
Untersysteme benötigt werden.
Wie FIR entspringt auch die RA Methodik den Ansätzen der allgemeinen Systemtheorie
(general system theory). Leider sind die RA Algorithmen sehr rechenaufwendig.
Es gibt noch viel zu tun, um suboptimale Suchverfahren zu definieren, die den
Rechenaufwand bei der Rekonstruktionsanalyse in Grenzen halten.
Historische Entwicklung
- Im Jahre 1979 entwickelte Hugo Uyttenhove eine erste Version der Software
SAPS (System Approach Problem Solver) als Teil seiner Dissertation, die
er unter George Klir an der State University of New York at Binghamton
schrieb. Bei SAPS handelte es sich um ein geschlossenes Softwaresystem,
welches Klir's Ansätze der allgemeinen Systemtheorie implementierte,
welches aber nur für einen festen Satz vorgegebener Problemstrukturen
eingesetzt werden konnte.
- Im Jahre 1986 entwickelte David Yandell in seinem Senior Project eine neue
Version dieser Software, genannt SAPS-II, welche als Bibliothek von CTRL-C,
einem Vorläufer der heute im Einsatz befindlichen MATLAB Software, entwickelt
wurde. Die SAPS Module wurden in Fortran kodiert. Yandell erkannte, dass
sich die Datenstrukturen, die in SAPS benötigt werden, elegant als Matrizen
darstellen lassen. Somit eignete sich CTRL-C sehr gut, um SAPS zu
implementieren. Im Gegensatz zur ursprünglichen Version von SAPS war
SAPS-II sehr flexibel. Die einzelnen SAPS Module wurden als Unterprogramme
(Funktionen) aufgerufen und konnten beliebig miteinander kombiniert
werden. Wie schon die ursprüngliche Version von SAPS, bot auch SAPS-II
Algorithmen zur diskreten Rekonstruktionsanalyse an [1].
- Dies ist die Version von RA, die im
Kapitel 13 des Buches
Continuous System Modeling vorgestellt
wurde.
- Im Jahre 1993 entwickelte Adelinde (Lin) Uhrmacher eine
diffuse (fuzzy) Erweiterung
der RA Methodik während ihres Forschungsaufenthalts in Tucson [3]. Lin's Aufenthalt
an der University of Arizona wurde von der Humboldt Stiftung finanziert.
- Im Jahre 1996 wurde die RA Methodologie von
Álvaro de Albornoz in seiner
Dissertation aufgegriffen und auf das Problem der Auswahl von
Variablen bei der qualitativen Überwachung grosser Systeme angewandt. Wenn
in einem Kernkraftwerk ein Alarm losgeht, haben die Operateure genau
15 Minuten Zeit, um die Ursache des Alarms zu eruieren. Nach Verstreichen
dieser Zeit muss die Anlage heruntergefahren werden, was Kosten in
Millionenhöhe verursacht. Wenn ein Alarm auftritt, haben die Operateure
darum keine Zeit, alle Messsignale anzusehen. Sie haben auch keine Zeit,
die 5000 Seiten dicke Anleitung zur Analyse von Fehlern zu studieren.
Sie sollten möglichst sofort wissen, welche Signale angesehen werden müssen
und welche Seiten in der Anleitung allenfalls relevante Informationen liefern
könnten. Es ist die Aufgabe des elektronischen Überwachungssystems, diese
Information in Echtzeit zu liefern. Die Resultate von Álvaro's Dissertation
sollen in drei Artikel konzentriert werden, die im International Journal of
General Systems veröffentlicht werden sollen. Diese Artikel wurden aber
bis heute noch nicht eingereicht. Publiziert wurde bisher nur eine Arbeit,
in der aufgezeigt wurde, dass die diffuse Erweiterung der RA Methodik zu
einer verzerrungsfreien Rekonstruktion führt, während dies beim diskreten
Verfahren nicht immer der Fall ist [4].
- Im Jahre 2001 griff
Josep Maria Mirats in seiner
Dissertation die RA Methodik wieder auf. Er entwickelte interessante
neue Algorithmen zur hierarchischen Dekomposition von Systemen in Untersysteme
unter Verwendung der RA und FIR Methodiken [5]. Die auf dieser Webseite zur
Verfügung gestellte Version der RA Toolbox
(
)
wurde von Josep Maria entwickelt. Sowohl Álvaro wie auch Josep Maria
arbeiteten an Projekten des Consejo Interministerial de Ciencia y Tecnología
(CICYT) mit. Álvaro's Studienaufenthalt in Barcelona wurde auch direkt vom
mexikanischen Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología (CONACYT) finanziert.
Meine eigene Forschungstätigkeit während meiner häufigen Besuche in Barcelona
wurden sowohl vom Consejo Interministerial de Ciencia y Tecnología (CICYT) wie
auch von der Generalitat de Catalunya in mehreren Projekten finanziell
unterstützt.
Wichtigste Publikationen
- Cellier, F.E., and D.W. Yandell (1987),
SAPS-II: A New Implementation of the Systems Approach Problem
Solver,
Intl. J. General Systems, 13(4), pp.307-322.
- Cellier, F.E. (1991),
Continuous System Modeling,
Springer-Verlag, New York.
- Uhrmacher, A.M., F.E. Cellier, and R.J. Frye (1997),
Applying Fuzzy-Based Inductive Reasoning to Analyze Qualitatively the
Dynamic Behavior of an Ecological System,
International Journal on Applied Artificial Intelligence in Natural
Resource Management, 11(2), pp.1-10.
- Cellier, F.E., and A. de Albornoz (1998),
The Problem of Distortions in Reconstruction Analysis,
Systems Analysis, Modelling, Simulation, 33(1),
pp.1-19.
- Mirats, J.M., F.E. Cellier, and R.M. Huber (2004),
Reconstruction Analysis Based Algorithm to Decompose a
Complex System into Subsystems,
Intl. J. General Systems, 33(5), pp.527-551.
Sponsoren
- Consejo Interministerial de Ciencia y Tecnología (CICYT)
- Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología (CONACYT)
- Generalitat de Catalunya
- Humboldt Stiftung
English Version
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Modifiziert: 22. Januar 2006 -- © François Cellier